Juni 2016

Juni 2016


Liebe Scholé-Freunde,

viele von euch haben Anteil am Schicksal von Frau X. und ihrem hoch sensiblen Sohn genommen: Die Mutter hat zu ihrer großen Erleichterung inzwischen eine schriftliche Bestätigung von der Schulbehörde erhalten, dass der Bub nicht mehr zur Schule gehen muss. Die Psychiaterin hat auf meinen Brief nie geantwortet, und das Jugendamt hat nichts mehr von sich hören lassen…

Einer befreundeten Ärztin, die längere Zeit als Schulärztin tätig war, möchte ich an dieser Stellt herzlich danken für einen sehr hilfreichen Buchtipp: DAS HOCHSENSIBLE KIND von Dr. Elaine Aron. Es ist ein gut lesbares, wissenschaftlich fundiertes Buch, verfasst von einer Psychologin, die jahrzehntelang zu dem Thema geforscht hat, Mutter eines hoch sensiblen Sohnes und selbst natürlich ebenfalls hoch sensibel ist. Interessierte Leser erfahren, an welchen Merkmalen diese Kinder zu erkennen sind, was sie brauchen, was sie geben können, was sie absolut nicht vertragen und vor welchen besonderen Herausforderungen „normale“ Eltern oder Lehrer stehen, die sich unerwartet mit einem „mimosenhaften“ Kind konfrontiert sehen, das in ihr Erziehungsschema einfach nicht passen will.

Normen werden natürlich von der Mehrheit gesetzt, doch die Minderheit der schätzungsweise 15% bis 20% hoch sensiblen Kinder haben trotzdem oft die Nase vorn, sofern sie beschützt und respektiert werden und ihre speziellen Fähigkeiten ausleben dürfen. Diese Fähigkeiten – Mitgefühl, Achtsamkeit, Intuition, Kreativität und Unbestechlichkeit – werden so dringend gebraucht wie nie zuvor, denn die rücksichtslos fortschreitende Ökonomisierung aller Lebensbereiche bedroht längst den gesamten Planeten.

Hoch sensible Kinder weigern sich, Dinge zu tun, deren Sinn sie nicht verstehen. Sie stellen unbequeme Fragen und beharren auf ehrlichen Antworten. Mit Belohnungen und guten Noten sind sie nicht zu ködern, sie wollen einfach sie selbst sein dürfen und überhaupt nicht bewertet werden. Sie sind auch nicht ehrgeizig im herkömmlichen Sinn, denn Konkurrenz und Wettbewerb widersprechen ihrer natürlichen Neigung zur Kooperation. Oft wirken sie verträumt, demotiviert und verloren, doch wenn sie von einer Sache überzeugt sind, entwickeln sie manchmal Kräfte, die ihnen keiner zugetraut hätte, und beweisen außergewöhnliches Durchhaltevermögen.

Das Projekt Scholé ist natürlich in erster Linie für solche Kinder gegründet worden. Sie sind die geborenen Freilerner! Dank Elaine Aron können wir uns zum Glück nun auch auf wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse und Statistiken berufen. Das ist sehr günstig, denn die Zahl hoch sensibler Kinder scheint tendenziell zu steigen, und die Krise unseres Schulsystems, das mit diesen Kindern oft besonders überfordert ist, lässt sich auch als Chance für die Erprobung gänzlich neuer Formen des Lebens und Lernens interpretieren. Tatsächlich sprießen sie seit 2013 ja auch wie Schwammerln aus dem Boden! Und damit wird ein neues Kapitel aufgeschlagen:

In Umgebungen, wo sich hoch sensible Kinder gesehen und gewürdigt fühlen, sind immer wieder Phänomene zu beobachten, die den engen Rahmen der herkömmlichen Wissenschaft sprengen. Letztes Wochenende war ich bei Genia Lackey im Waldviertel, wo Alexander Schatanov mit Kindern und Erwachsenen die Bedeutung alter KINDERSPIELE praktisch erforscht hat. Am 3. Tag haben wir in verteilten Rollen das Märchen gespielt, das die Teilnehmer an dem Workshop im April gemeinsam verfasst hatten – eine äußerst erhellende und lustvolle Erfahrung! Spielleiter war ein neunjähriger Freilernerbub, der Ahnen, Elfen und Zwerge zu Hilfe rufen kann, wenn – so wie an diesem Wochenende – energetische Belastungen „in der Luft liegen“. Das macht er sicher seit langer Zeit, aber seit dem Workshop mit Schatanov hat er eine SPRACHE dafür gefunden: Er kann seine Wahrnehmungen nun in Worte fassen, weil er endlich von Erwachsenen umgeben ist, die ihm aufmerksam und bereitwillig ZUHÖREN und GLAUBEN! Schatanov möchte in seinem ukrainischen Verlag übrigens eines der selbst geschriebenen und illustrierten Bücher dieses speziell begabten Neunjährigen herausbringen, in dem er von Wesen auf dem Mars erzählt… Geplant ist eine dreisprachige Ausgabe in deutsch, russisch und englisch!

Drei Tage später habe ich bei einer kinesiologischen Sitzung ein intellektuell hoch begabtes siebenjähriges Mädchen kennengelernt, die es in der Schule nicht aushält, obwohl sie schon eine Klasse überspringen durfte. Im Laufe der Sitzung kam heraus, dass es nicht in erster Linie um die intellektuellen Ansprüche des Kindes geht, sondern um dessen seelische und geistige Bedürfnisse, für die im Schulalltag schlicht kein Platz ist. Das Mädchen reagiert mit hilflosem Zorn, weil sie sich – so versuchte ich es der Mutter drastisch zu erklären – dort als „intelligentes Säugetier“ behandelt fühlt! Bei mir dagegen spürt sie, dass ich sie sehe und freudig annehme, wie sie ist, deshalb hat sie erstmals Worte für ihre inneren Erlebnisse gefunden: In einer anderen Welt, so erzählte mir das kleine Mädchen vertrauensvoll, liegt ein ganz, ganz großes Paket Liebe für sie bereit. Und wenn sie traurig oder verzweifelt ist, dann bekommt sie ein kleines Päckchen davon – genau so viel, wie sie gerade benötigt, um mit ihrer Angst oder Wut fertig zu werden. Aus der Anderswelt wird es ihr von einem Soldaten überbracht, der das Liebespäckchen aus seiner geöffneten Brust herausholt und ihr überreicht…!

Welch ein Geschenk, solchen Kindern begegnen zu dürfen!!

Der Colearning Space hat gestern mit einer berührenden Theateraufführung der Kinder den erfolgreichen Abschluss des ersten Jahres gefeiert. Die amtlichen Prüfungen haben sowohl die Kinder als auch die jüngsten Lernbegleiter bestens bestanden, vor allem aber sind alle in diesem Jahr über sich hinausgewachsen. Das Gründungs-Trio Florence Holzner, Stefan Leitner-Sidl und Roland Dunzendorfer und die ebenfalls ehrenamtlich tätigen Lernbegleiter und Lernbegleiterinnen haben sich einen riesengroßen Lorbeerkranz verdient! Was sie geleistet haben, kann nur jemand ermessen, der miterlebt hat, mit wie viel Mut, Zuversicht, Hingabe, Aufrichtigkeit und unerschütterlichem Gemeinschaftsgefühl sie alle Schwierigkeiten gemeistert und in jeder Hinsicht Neuland erobert haben! http://www.co-vienna.com/de/leute/die-colearner/ Unter diesem Link könnt ihr ein Interview mit Stefan lesen.

Wir wünschen euch und allen Kindern eine wunder-volle Ferienzeit!

Alexandra und Sibylle